Antisemitismus
Definition
Seit April 2017 gibt es in Österreich eine mit Regierungsbeschluss1 übernommene Arbeitsdefinition von Antisemitismus. Diese stammt von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und lautet wie folgt: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen."2
„Anders“
Charakteristisch für ein antisemitisches Weltbild ist die Annahme, dass Jüdinnen und Juden „anders" sind und deshalb eine Bedrohung für den sozialen Zusammenhalt darstellen. Sie gelten als schwer kontrollierbar und zugleich besonders klug, weshalb sie problemlos Machtpositionen einnehmen könnten. Antisemiten rechtfertigen aufgrund dieses Denkmusters die Notwendigkeit der Ausgrenzung, Vertreibung und sogar Vernichtung der Jüdinnen und Juden.3 Die Erziehungswissenschaftlerin Heike Radvan geht davon aus, dass Antisemitismus eine Art von Ausgrenzung und Diskriminierung ist, die unabhängig von einem bestimmten Verhalten der Jüdinnen und Juden besteht.4 Es muss also kein unmittelbarer Kontakt zu Jüdinnen und Juden oder ein Konflikt bestehen und es braucht auch keinen bestimmten Wissensstand über die Religion oder das jüdische Weltbild, um antisemitisches Gedankengut zu teilen.5 Vielmehr sind antisemitische Stereotypen und Feindbilder in den Köpfen der Gesellschaft verwurzelt.6
Formen des Antisemitismus
Antisemitismus kann sich auf verschiedenste Art und Weise äußern. Die schlimmste Form ist die Leugnung des Holocaust bzw. die Behauptung, dass Jüdinnen und Juden den Völkermord im Zweiten Weltkrieg erfunden haben oder übertrieben darstellen. Die Verbreitung von manifestierten Vorurteilen, die an dem jüdischen Volk lasten, ist ebenfalls eine Form von Antisemitismus. Jüdinnen und Juden werden beschuldigt, der Menschheit schaden zu wollen oder kollektiv für Taten verantwortlich gemacht, die frei erfunden sind oder die von einer einzelnen jüdischen Person bzw. von jemand anderem begangen worden sind. Auch das Judentum und der Staat Israel werden immer wieder im selben Atemzug genannt. Israel wird als Repräsentant des jüdischen Kollektivs angesehen, das politische Vorgehen Israels wird mit den nationalsozialistischen Verbrechen gleichgesetzt und das Existenzrecht Israels als Staat in Frage gestellt.7
1 40/15 Vortrag an Ministerrat, 25.4.2017 (Online: archiv.bundeskanzleramt.at/DocView.axd?CobId=65911, abgerufen im September 2018).
2 40/15 Beilage, Definition, 25.4.2017 (Online: archiv.bundeskanzleramt.at/DocView.axd?CobId=65910, abgerufen im September 2018).
3 Schäuble/Scherr in Amadeu Antonio Stiftung [Hrsg] , „Ich habe nichts gegen Juden, aber...", Ausgangsbedingungen und Perspektiven gesellschaftspolitischer Bildungsarbeit gegen Antisemitismus (2007) 15.
4 Radvan, Formen pädagogischer Intervention im Horizont wahrgenommener Antisemitismen. Perspektiven für die Aus- und Weiterbildung von Jugendpädagoginnen in Stender/Follert/Özdogan, Konstellationen des Antisemitismus: Antisemitismusforschung und sozialpädagogische Praxis 167.
5 Verein JUKUS, JUGEND, MIGRATION UND ANTISEMITISMUS Präventive Arbeit zu menschenfeindlichen Haltungen (2017) 12 (Online: http://www.erinnern.at/bundeslaender/steiermark/broschuere-zur-antisemitismus-praevention-jugend-migration-und-antisemitismus-praeventive-arbeit-zu-menschenfeindlichen-haltungen/broschuere_web.pdf, abgerufen im September 2018).
6 Schäuble/Scherr in „Ich habe nichts gegen Juden, aber..." 15.
7 Verein JUKUS, Präventive Arbeit zu menschenfeindlichen Haltungen 10f; vgl Gryglewski, Anerkennung und Erinnerung: Zugänge arabisch-palästinensischer und türkischer Berliner Jugendlicher zum Holocaust (2013) 101.