Wann ist man ‚extrem‘?
Extrem vs. radikal
Der Begriff „extrem" bedeutet ‚äußerst‘ beziehungsweise ‚bis an die äußerste Grenze gehend‘.1 Der Begriff „radikal" (lat.: radix, Wurzel) wird häufig als Synonym für „extrem" verwendet, beschreibt aber eine politische Gesinnung an der äußeren Grenze der Parteienlandschaft und Verhaltensweisen, die sich noch innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen. Radikalisierung ist der Prozess, im Zuge dessen sich jemand den Gedanken, Haltungen oder Handlungsweisen des Randbereichs zuwendet.2
Politisch vs. religiös
Extremismus kann sowohl ideologisch und politisch als auch religiös motiviert sein. Allen Erscheinungsformen des Extremismus gemeinsam ist, dass sie am äußersten Rand einer politischen oder weltanschaulichen Einstellung angesiedelt sind und sich die Anhängerinnen und Anhänger gegenüber anderen Menschen und Gruppen überlegen fühlen. In der Regel werden bestehende politische Systeme und/oder gesellschaftliche Grundordnungen abgelehnt und nur die eigenen Wertvorstellungen als sinnvoll und richtig interpretiert.3
Sich rechtlich zur Wehr setzen
Die Anwendung bzw. Androhung von Gewalt ist das primäre Mittel extremistischer Gruppierungen zur Umsetzung ihrer Ziele.4 Aus diesem Grund sind extremistisch motivierte Taten strafrechtlich relevant und mit rechtlichen Mitteln bekämpfbar. Die nationalsozialistische Wiederbetätigung wird im Sinne des Verbotsgesetzes (VerbotsG)5 sanktioniert, alle sonstigen Straftaten mit einem extremistischen Hintergrund sind nach den allgemeinen Bestimmungen des Strafrechts zu beurteilen.6 Die Begehung einer Straftat aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen besonders verwerflichen Beweggründen stellt aber einen Erschwerungsgrund bei der Bemessung der Strafe dar.7
Wer ist besonders anfällig?
Besonders anfällig für die Zuwendung zu extremistischen Strömungen sind Personen und vor allem Jugendliche, (egal ob männlich oder weiblich, mit oder ohne Migrationshintergrund), die sich in einer schwierigen oder sensiblen Phase ihres Lebens befinden und sich gesellschaftlich und/oder familiär missverstanden und ausgegrenzt fühlen. Oft sind es Probleme in der Ausbildung, Misserfolge, Diskriminierungs- und Mobbingerfahrungen, Perspektivlosigkeit, Minderwertigkeitskomplexe, Liebeskummer oder Probleme im Umgang mit Sexualität die Gründe, die Betroffene dazu bringen, sich zu einer extremistischen Gruppe hingezogen zu fühlen. Diese verspricht ihnen Anerkennung, Zusammenhalt und Gerechtigkeit.
Die Betroffenen beginnen den charismatischen Leitfiguren und Sympathieträger(innen) der radikalen Gruppierung zu vertrauen, sehen zu ihnen auf und übernehmen dieselben Ideologien und Moralvorstellungen für ihr eigenes Leben. Die neuen Bezugspersonen vermitteln ein Gefühl der Identitätsfindung und der Stabilität. Das Leben ergibt plötzlich wieder einen Sinn, man gewinnt an Selbstwertgefühl und dank des starren Wertemechanismus, an dem man sich zu orientieren hat, lässt sich leicht eruieren, was richtig und was falsch ist. Durch die radikale Ablehnung anderer Weltanschauungen und der beharrlichen Verteidigung der eigenen Werte entwickelt sich innerhalb der Gruppe ein noch stärkerer Gemeinschaftssinn.
1 https://www.duden.de/rechtschreibung/extrem.
2 vgl. Zentrum POLIS, Fanatisierung als Herausforderung für die Politische Bildung, POLIS aktuell 3/2018, 4.
3 Vgl. Zentrum POLIS, POLIS aktuell 3/2018, 4; Landesschulrat Steiermark, Schulpsychologie Bildungsberatung, Gewalt und Verhaltensstörungen im Umfeld Schule (2016) 25.
4 vgl. Bundesministerium für Inneres, Verfassungsschutzbericht 2017, 24, https://www.bvt.gv.at/401/files/Verfassungsschutzbericht2017.pdf.
5 Verbotsgesetz 1947, StGBl Nr. 13/1945 idF BGBl I 148/1992; wird zu einem späteren Zeitpunkt erörtert.
6 Bundesministerium für Inneres, Verfassungsschutzbericht 2014, 11; http://bvt.bmi.gv.at/401/files/VerfassungsschutzberichtfuerdasJahr2014.pdf.
7 Siehe § 33 Abs 1 Z 5 StGB.
8 Vgl. Landesschulrat Steiermark, Schulpsychologie Bildungsberatung, Gewalt und Verhaltensstörungen im Umfeld Schule (2016) 25; Beratungsstelle Extremismus, Jugend und Extremismus (2015) in: Schule Aktiv, S. 10-15 (Online: https://www.beratungsstelleextremismus.at/wp-content/uploads/2016/10/jugend_u_extremismus_kraitt_fabris.pdf, abgerufen im August 2018).